FAIRSTÄRKEN

Weihnachtsgeschenke und große Momente – Der Teddy heißt Liebe

Manche Momente wirken lange nach – nicht, weil sie laut sind, sondern weil sie etwas in uns berühren.

Bis Anfang November hatten wir keine Nachrichten von Firmen, die sich um Weihnachtsgeschenke kümmern wollten. Ein leichter Hauch von Verzweiflung überkam uns. Denn: die Kinder freuen sich doch so sehr und hoffen auch dieses Jahr auf Geschenke…

Es meldeten sich dann – schon das wie ein Wunder! 😊 – plötzlich mehrere Firmen und wir konnten tatsächlich ALLE Kindergruppen in Wohnheime für Geflüchtete mit Geschenken berücksichtigen!

Das Ausfüllen der Wunschzettel ist jedes Jahr ein Erlebnis für sich

Manche Kinder wissen sofort, was sie sich wünschen könnten, andere überlegen beinahe eine Stunde lang und haben das Gefühl, eigentlich schon alles zu haben, was sie brauchen. Dahinter vermute ich eine große Bescheidenheit, denn sie leben in SEHR armen Verhältnissen.

Besonders beeindruckt hat mich Dawid. Er hat die Diagnose ADHS und nimmt Ritalin. Zu der Zeit, in der unsere Gruppe stattfindet, ist er im Rebound – seine Symptome verstärken sich, seine Energie scheint grenzenlos. Doch in dem Moment, in dem der Wunschzettel vor ihm liegt, wird er ganz still. Hochkonzentriert sorgt er sich, sich zu verschreiben und „alles zu vermasseln“. Schließlich schreibt er sorgfältig seinen Wunsch auf: einen Fußball. Danach malt er noch etwas dazu.

Wir zählen die Wochen, bis die Geschenke endlich übergeben werden. Für Selma, die es kaum erwarten kann, ihr Geschenk in den Händen zu halten, bin ich kurz davor, eine Strichliste für die Wartetage anzulegen.

Dann ist es soweit

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Es wird koordiniert, wann die Geschenke im Büro ankommen, wie sie rechtzeitig in die Unterkünfte gebracht werden und wie die Übergabe gestaltet wird. In den meisten Gruppen planen wir eine kleine Feier mit Dekoration, Naschereien und warmem Kakao. Für die Tagesplanung ist wichtig, dass die Kinder sich vorher noch austoben können. Der Geschenkemoment wird sooooo aufregend!

In der Mitte des Raumes liegt ein großer Berg wunderschön verpackter Geschenke, oft mit einer persönlichen Nachricht versehen. Man sieht, wie viel Mühe sich die Schenkenden gemacht haben – und dass es ihnen Freude bereitet hat. Die Kinder stürmen in den Raum, versammeln sich um den Tisch und suchen aufgeregt nach ihrem Geschenk. Freudige Rufe erfüllen den Raum. In größeren Gruppen dürfen alle Kinder gleichzeitig auspacken, in kleineren gibt es ein Ritual: Ein Kind bekommt sein Geschenk überreicht, wählt dann eines für das nächste Kind aus und gibt es weiter.

Beim Auspacken höre ich Sätze wie „Schich-lan“ oder „Ich habe Jackpot gemacht“. Amadou hüpft vor Freude auf der Stelle und hält seinen neuen Fotoapparat in die Luft. Die 13-jährige Ladan probiert ihre neue Jeans an und nickt zufrieden. Viele Kinder laufen stolz und glücklich zu ihren Eltern. Elham kommt in den Gruppenraum, trägt ihr neues Outfit – es passt perfekt, und sie strahlt über das ganze Gesicht. Sedat läuft mit seinen neuen Fußballhandschuhen rum und hält die Handschuhe an seine Ohren,reibt dabei die Finger aneinander und freut sich riesig an dem Geräusch, als sei das, das Qualitätsmerkmal schlechthin. Die anderen Kinder dürfen auch mal hören.

Nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung. Der 13-jährige Jeremy ist enttäuscht, weil er Fußballhandschuhe bekommen hat, statt einem Gutschein. Melissa erhält einen Basketball, obwohl sie sich einen Pyjama gewünscht hatte. Doch sie hat eine großartige Idee: Sie lässt den Ball von dem Trainer signieren, der an diesem Tag die letzte Stunde leitet. Plötzlich hat der Ball einen ganz besonderen Wert. Und wer weiß – vielleicht entdeckt Jeremy ja das Fußballspielen und wird ein leidenschaftlicher Torwart.

Anjam dagegen bekommt ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt: einen Teddybären mit einem Herz und der Aufschrift „Ich hab dich lieb“. Vor Freude weiß sie gar nicht, wohin mit sich. Der Teddy wird gefüttert, spricht und spielt mit. Als ich sie frage, wie ihr Teddy heißt, sagt sie: „Der Teddy heißt Liebe.

Bei unserem Jahresabschlussfrühstück frage ich eine Kollegin, was sie bei der Geschenkeübergabe erlebt hat. Sie erzählt mir von Victor, der oft sehr wütend ist. Sie beschreibt, wie sich sein ganzes Wesen für einen Moment verändert, als er die Kopfhörer in den Händen hält, die er geschenkt bekommen hat. „Die kosten doch viel mehr als 15 Euro“, sagt er, lehnt sich zurück und schaut ganz beseelt – als wäre endlich mal für einen Augenblick alles in Ordnung.

Ende der Woche werde ich krank. Und dennoch ist klar: Bei der Geschenkeverteilung werde ich dabei sein. Vielleicht, weil ich weiß, dass diese Momente etwas in mir berühren. Die Freude der Kinder, ihr Lachen, ihr Staunen – sie öffnen mein Herz. Und irgendwo zwischen Geschenkpapier und glänzenden Augen wird mir wieder bewusst, dass es eine stille Freude gibt, die sich nicht einpacken lässt: die Freude, anderen eine Freude zu machen.

Ein großer Dank gilt all den Sponsor*innen und dem Team von Fair.Stärken, die mit viel Herzblut dafür gesorgt haben, dass so viele Kinder – die kein Weihnachten feiern und deren Familien oft nur über wenige finanzielle Mittel verfügen – dennoch eine Freude erleben durften.

Fotos: FAIR.STÄRKEN e.V.
Bericht: Natascha Fröhlich (Pädagogin aus dem Team von FAIR.STÄRKEN)