Soziales Lernen und Gewaltprävention mit Jungen

Junge Kletterwand„Bin ich schwach, wenn ich Gefühle zeige?“, „Dürfen Jungen auch weinen?“ oder „Richtige Männer kochen nicht!“

Fragen, die sich aus geschlechtsbezogenen Vorurteilen, festgebackenen Rollenbildern und konservativ-traditionellen Männlichkeitsanforderungen ergeben.
Jungen stehen immer unter Druck, die (vermuteten) Rollenerwartungen des sozialen Umfeldes und der Medien erfüllen zu können, befinden sich im ständigen Wettbewerb untereinander und sind einem starken Gruppenzwang ausgesetzt. Besonders Jungen, die in sozial benachteiligten Lebenssituationen, bildungsfernen und traditionellen Elternhäusern nach konservativen Maßstäben aufwachsen, erleben in ihrem Umfeld diese Rollenbilder verstärkt. Hinzu kommt, dass viele kaum Kontakt mit alternativen Lebensentwürfen haben und in den Sozialräumen häufig isoliert sind. Der dadurch ausgelöste Stress in Verbindung mit geringem Selbstvertrauen kann zu Unsicherheit und erhöhter Gewaltbereitschaft führen. Ein gesundes Selbstwertgefühl, den Sinn von Regeln erkennen und positive Gruppenerfahrungen stärken die Jungen.

„Das ist doch klar, dass man keine Messer mit in die Schule bringt. Das macht man nicht!“ P. 15 Jahre

Gewaltfreie Handlungsalternativen

Jungs Kooperation und TeamgeistEine Trainerin berichtet: „Die Jungen kommen mit großer Unsicherheit, was ihre Jungenrolle angeht. ‚Bin ich schwach oder feige, wenn ich vor Provokation weglaufe?‘, ‚Wie komme ich aus einem Streit raus, ohne der Looser zu sein?‘ sind Fragen, die sie beschäftigen.“

„Ich bin seit 4 Jahren hier beim Training, weil es mir hilft, mit Konflikten umzugehen.“ P. 15 Jahre

In den Sozialtrainings lernen die Jugendlichen, die Notwenigkeit demokratischer Regeln und gewaltfreie Handlungsalternativen kennen. Dafür werden auch individuelle Erfahrungsberichte aus dem Alltag besprochen und mögliche Vorgehensweisen gemeinsam erarbeitet. Wichtig ist, dass die Jungen die Situation erkennen und ihre eigenen Gefühle rechtzeitig bewerten können. Ein Junge hat gelernt, dass es für ihn besser ist, wenn er sich in Konfliktsituationen präventiv aus dem Geschehen herauszieht und an einen Ort geht, wo er sich „herunterbringen“ kann.

Gemeinschaftsgefühl und Vertrauen

Gemeinschaftsgefühl im TrainingPositive Erlebnisse und Erfolge in der Gruppe steigern das Selbstwertgefühl der Teilnehmer, gleichzeitig verbessern sie in der Interaktion mit den anderen Jungen die Kommunikations- und Teamfähigkeit. Besonders sportbasierte Aktivitäten und Ausflüge bieten jede Menge Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten zu erproben und zu entdecken. Die regelmäßigen Treffen fördern das Vertrauen in die Trainer:innen und die anderen Jungen. Ein Wir-Gefühl kommt auf, Freundschaften entstehen.

Ausflüge ins Tipi-Dorf

Junge am TischWährend der Trainings fanden auch mehrtägige Fahrten in unser Tipi-Dorf in der Eifel statt. In dieser naturnahen Umgebung, weitab vom Alltag der Jungen, kann das Erlernte gleich angewendet werden: Regeln einhalten, gemeinsam Entscheidungen treffen, gewaltfreie Kommunikation und Teamarbeit. In diesem geschützten Setting, z.B. abends zusammen beim Lagerfeuer, fällt es den Jugendlichen auch leichter, über Dinge zu sprechen, über die sie sich vielleicht sonst nicht zu reden trauen.

„Ich hab am Anfang Probleme gehabt, dann haben wir uns vertragen. Als wir die Brücke aufgeräumt haben, haben wir alle zusammengehalten. Ich helfe jetzt auch meiner Mutter: z.B. Spülmaschine. Ich habe in dieser Tipi-Freizeit so viel gelernt, wie noch nie. Z.B. habe ich gelernt, wie man den Herd bedient.“

Nach dem Tipi-Lager meldete sich seine Mutter bei uns und erzählte freudig überrascht, ihren Jungen jetzt öfter in der Küche anzutreffen …

Geschlechtsspezifische Gruppentrainings

Junge gluecklich beim SozialtrainingJungen und Mädchen haben mit zunehmendem Alter unterschiedliche Bedürfnisse, auf die bei den FAIR.STÄRKEN Sozialtrainings gezielt eingegangen wird, um die Ziele, Stärkung des Selbstwertgefühls, demokratisches Regelverständnis und Entwickeln gewaltfreier Handlungsstrategien zu erreichen. Darüber hinaus fällt es den Teilnehmenden im Kreise ihrer Geschlechtsgenoss:innen leichter, über ihre Bedürfnisse und Probleme zu sprechen. Sie können sich in einem sicheren Raum öffnen, erlangen schneller Vertrauen und sind mutiger, eigene Talente und Ressourcen zu entdecken und auszuleben.

Postcode_LogoWir danken der Postcode Lotterie für die Unterstützung bei diesem Projekt. Durch die Finanzierung konnten wir vielen Jugendlichen wichtige Hilfestellungen für ein chancengerechtes, respektvolles und glückliches Leben geben.

 

Bericht: Claudia Heinrich
Fotos: FAIR.STÄRKEN e.V.