Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen stärken

Jugendliche verbringen bis zu 67,8 Stunden die Woche im Internet (Postbank-Studie 2022). Oft ohne hinreichende Medienkompetenz und meist unbeaufsichtigt sind sie den Gefahren aus dem World Wide Web schutzlos ausgeliefert. Für Heranwachsende aus benachteiligten Lebenslagen gilt das im Besonderen. Mittlerweile ist für Jugendliche das Internet, vornehmlich die Sozialen Medien, zu der wichtigsten Kommunikations- und Informationsquelle geworden.

Gefahr durch Cybermobbing und Cybergrooming

Viele junge Menschen leiden als Opfer von Cybermobbing oft ihr Leben lang oder geraten in ernsthafte Gefahr durch Cybergrooming (s. Blogbeitrag: Cybergrooming: Bedrohung für Kinder und Jugendliche im Netz (fairstaerken.de) oder Sextortion (Erpressung durch geschickte, teilweise manipuierte, Nacktfotos). Hinzu kommen diverse Formen von Cyberkriminalität, wie Phishing, Identitätsdiebstahl u.a. Außerdem praktizieren viele Kinder und Jugendliche einen viel zu leichtfertigen Umgang mit Datenschutz und Persönlichkeitsrechten.
Durch unseren intensiven Austausch mit Jugendsozialarbeiter:innen und Berichten aus unseren Trainingsgruppen konnten wir einen hohen Bedarf an Medienkompetenzbildung, insbesondere für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Lebenslagen, feststellen.

Medienbildung bei Kinder und JugendlichenDigitale Bildung im Kontext sozialer Ungleichheiten

Nach wie vor verringert die stetig wachsende „digitale Kluft“ die Teilhabechancen vieler Jugendlicher aus sozial benachteiligten Verhältnissen. Auch Eltern besitzen häufig kaum kritische Medienkompetenz. So können Eltern ihren Kindern keine Begleitung oder Hilfe anbieten. Und sie setzen dem exzessiven Medienkonsum ihrer Kinder keine Grenzen. Heranwachsende müssen daher besonders unterstützt werden, einen gesunden Umgang mit den digitalen Medien zu entwickeln, um Risiken und Gefahren im Netz selbstständig bewerten und vermeiden zu können.
Jugendliche mit wenig Selbstvertrauen, die in ihrem Umfeld keine Bestätigung, Liebe und Anerkennung finden, suchen diese immer öfter in den Sozialen Medien, häufig in teilweise fragwürdigen radikalen und antidemokratischen Kanälen. Die Gefahr, dass sie sich dabei Inhalte unkritisch zu eigen machen, ist groß.
Soziale Medien bieten einen perfekten Fluchtort für Jugendliche, um Bestätigung und Anerkennung zu erhalten und sich eine eigene neue alternative Identität(en) aufzubauen. Jede und jeder kann die Identität konstruieren, die sie oder er möchte. Durch die perfiden Algorithmen werden zusätzlich Glückshormon-Ausschüttungen ausgelöst, sodass fehlende Erfolgserlebnisse kompensiert werden können.

Digitale Kompetenz als Ressource zur Demokratiestärkung

Fake-News, Bullshit und irreführende Nachrichten werden durch die Algorithmen der sozialen Medien bevorzugt verbreitet. Gleiches gilt für kurze aufreißerische Artikel und Memes. Dies haben demokratiefeindliche Kräfte erkannt und so bespielen sie den digitalen Raum in hohem Maße, wobei ihre Zielgruppe meist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind. Inwiefern sie damit erfolgreich sind und die Wahlerfolge der AfD bei den zurückliegenden Wahlen bei dieser Altersgruppe damit in Verbindung stehen, muss weiter erforscht werden. Digitale Kompetenzen bei Jugendlichen können ihnen helfen, seriöse Nachrichten von Fake-News und Bullshit zu unterscheiden und bieten die Möglichkeit, radikalen Kräften entgegenzuwirken. Somit kann Medienbildung eine Ressource sein, die Demokratie zu stützen und zu stärken.

Medienbildung bei FAIR.STÄRKEN e.V.

Der Verein empowert seit Jahren Kinder und Jugendliche zu sozial kompetenten, resilienten und selbstbewussten jungen Menschen und fördert damit ihre Teilhabe- und Entwicklungschancen in unserer Gesellschaft. Die Vermittlung von Kompetenzen in der digitalen Welt, auch im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, ist ein weiterer Aspekt auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit.
Das Projekt Gemeinsam stark im Netz stellt eine zusätzliche Bildungseinheit dar, die in bereits bestehenden Gruppen zum Sozialen Lernen durchgeführt wird. Ein Schwerpunkt ist das Cybermobbing: Die Teilnehmenden werden zunächst für das Thema sensibilisiert. Mit Methoden aus dem Gewaltpräventionsbereich, z.B. Täter-Opfer-Rollenspiele wird die Empathie-Kompetenz der Jugendlichen gestärkt. Außerdem erfahren sie, wo es Schutz- und Hilfemöglichkeiten für Betroffene gibt.
In einem weiteren Modul lernen sie, wie sie in den unterschiedlichen Kanälen ihre Privatsphäre schützen und werden über Gefahren von Cyberkriminalität aufgeklärt.
Das Thema „Fake-News“ wird intensiv bearbeitet – die Jugendlichen lernen, wie sie typische manipulierende Botschaften erkennen, welche Absichten dahinter stecken können und wie sie Text- und Bildsprache hinterfragen können. Gemeinsam wird eine Check-Liste erstellt, durch die die Echtheit von Nachrichten geprüft werden kann. Zusätzlich werden Fact-Check-Websites vorgestellt.

Wirkungen der Medienbildung

Die Jugendlichen entwickeln einen gesunden, verantwortungsvollen, kritischen und gewinnbringenden Umgang mit der digitalen Welt. Sie sind sensibilisiert für Gefahren aus den Sozialen Medien, können Desinformationen leichter identifizieren bzw. haben gelernt, die Glaubhaftigkeit bestimmter Meldungen zu hinterfragen. Das Risiko, selbst Opfer vieler dieser negativen Einflüsse aus dem Internet zu werden, sinkt.

Am Tag der Zivilcourage (19.09.) werden alle Menschen dazu aufgefordert, sich in der Öffentlichkeit für den Schutz ihrer Mitmenschen auszuweiten. Für Jugendliche findet diese Öffentlichkeit auch im digitalen Lebensraum statt. Durch die Medienbildung von FAIR.STÄRKEN werden den Jugendlichen Handlungsmöglichkeiten gezeigt, auch im Internet für sich und ihre Mitmenschen einzustehen und aktiv gegen Cybermobbing, Cyberkriminalität und Fake-News die Stimme bzw. die Tastatur zu erheben. Und dies nicht nur an einem symbolischen Tag im Jahr, sondern am besten an allen Tagen und in allen Lebenslagen.

Datev StiftungWir danken der DATEV-Stiftung für die Anschubfinanzierung bei diesem Projekt. Wir wollen es deutlich ausweiten und in allen Gruppen über die Nutzung des Internets und der sozialen Medien reden und die Jugendlichen fit machen für kritische Mediennutzung.

Fotos Unsplash: Gaselle Marcel (Titelbild); NkNi